“Ich galt als Vaterlandsverräter”

Doping: Der griechische Fahnder Ioannis Psarellis über Kehrseiten, Hintertüren und Morddrohungen

ABENDBLATT: Herr Psarellis, was werden die Menschen von den Spielen in Athen in Erinnerung behalten?

IOANNIS PSARELLIS: Ich hoffe sehr für die Rückkehr Olympias an seine Ursprünge – und nicht für die zahlreichen Dopingskandale.

ABENDBLATT: Es sind bei Olympia noch nie so viele Medaillengewinner überführt worden.

PSARELLIS: Das kann doch niemanden überraschen. Doping ist Realität, die positiven Befunde zeigen nur, dass die Kontrollen und der Kampf gegen Doping effektiver werden. Jeder positive Dopingfall ist ein Sieg für die sauberen Athleten.

ABENDBLATT: Sind die Ihrer Meinung nach in der Minderheit?

PSARELLIS: Entdeckt werden rund zwei Prozent der Dopingsünder, die Dunkelziffer ist riesig. In Atlanta sind 1996 Olympiateilnehmer gefragt worden, ob sie eine Wunderpille nehmen würden, die ihnen Gold garantierte, selbst wenn sie fünf Jahre später sterben würden. 80 bis 90 Prozent haben mit Ja geantwortet. Wir müssen diese gefährliche Moral bekämpfen. Sport ist nicht nur siegen, Sport ist Lebensstil, Körperertüchtigung für unsere Gesundheit, für unser Wohlbefinden.

ABENDBLATT: Nicht nur viele Menschen in Ihrem Land sehen das anders.

PSARELLIS: Weil sie die Kehrseiten des Dopings nicht kennen. In Griechenland werden ausschließlich die schönen Bilder des Sports gezeigt, austrainierte, muskulöse Körper, strahlende Sieger, der Adonis. Niemand ahnt hier, welche dramatischen gesundheitlichen Folgen Doping hat. Darüber wird nicht berichtet. Die herrschende Meinung ist – nicht nur in Griechenland -, wer eine Medaille will, muss dopen. Das sei ein Teil des Spiels. Folgerichtig wird Doping als etwas Normales akzeptiert. Das müssen wir ändern. Doping ist ein Foulspiel. Es geht um die Gesundheit der Athleten, es geht um die Chancengleichheit, es geht ums Fairplay.

ABENDBLATT: Es geht um Gold, es geht um den Medaillenspiegel.

PSARELLIS: Diese Nationenwertung ist ein Übel, sie ist reine Propaganda. Sind die USA, China oder Russland bessere Länder, weil sie mehr Medaillen als andere gewinnen? Wir müssen die Öffentlichkeit erziehen, überall auf der Welt, damit sie begreift, was Doping bedeutet. Doping ist ein gesellschaftliches Problem. Das ist wie beim Umweltschutz. Nur weil es einige wirtschaftliche Profiteure gibt, wird die Umwelt vernichtet. Auch vom Doping profitieren immer nur Einzelne. Den Kampf gegen Doping und für die Umwelt kann ein Land allein nicht bestreiten, dazu bedarf es weltweit vereinter Anstrengungen.

ABENDBLATT: Ein positiver Dopingfall gilt in vielen Ländern immer noch als Schock, weil er das Image beschädigt.

PSARELLIS: Die Frage ist doch: Wollen wir das Image unseres Landes über Sport definieren, wie es die DDR und viele Ostblockstaaten jahrzehntelang unter Einsatz aller Mittel versucht haben? Die Geschichte hat doch die passende Antwort gegeben. Wir müssen uns nicht schämen für einen positiven Dopingfall, wir müssen uns schämen dafür, dass wir dieses Problem nicht rechtzeitig bekämpft haben.

ABENDBLATT: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Doping lange geduldet. Glauben Sie, dass bei den Herren der Ringe ein Sinneswandel eingesetzt hat?

PSARELLIS: Kein Kommentar.

ABENDBLATT: Das ist zu wenig.

PSARELLIS: Ich denke, einige Leute sind etwas irritiert. Natürlich wollen sie Doping bekämpfen, aber gleich so viele positive Fälle, das muss ja auch nicht sein, das könnte vielleicht die Sponsoren verschrecken. Es herrscht kein einheitliches Meinungsbild im IOC. Ich glaube, das IOC, die internationalen und nationalen Sportverbände und NOKs müssten ihren Sponsoren die Dopingproblematik nur besser kommunizieren.

ABENDBLATT: Zum Beispiel wie?

PSARELLIS: Dass sie mit verstärkten Anstrengungen gegen Doping vor allem jungen Athleten helfen und diese ermutigen, Spitzensport treiben zu können, ohne die eigene Gesundheit zu riskieren. Doping zu bagatellisieren wäre ein Weglaufen vor der Realität. Warum muss es immer erst zu einem Skandal wie in Griechenland kommen, damit sich im Bewusstsein etwas ändert? Wir dürfen beim Doping nicht länger mit einem Auge weggucken.

ABENDBLATT: Ist der erste Schritt nicht schon getan?

PSARELLIS: Es mangelt oft an staatlicher Unterstützung, an der Mithilfe von Polizei, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung. Und wir sollten deutlicher vermitteln, dass Dopingmittel Drogen sind. Testosteron ist genauso schädlich für den Körper wie Kokain. Ich kenne Fälle, da gehen Eltern mit ihren Kindern zum Arzt und fragen, was können wir tun, damit mein Sohn noch wächst und ein Basketballer wird. Dieses Denken ist krank.

ABENDBLATT: Der Sportler ist das schwächste Glied in der Kette.

PSARELLIS: Deshalb müssen wir Trainer, Ärzte, Funktionäre, Eltern erziehen.

ABENDBLATT: Im Spitzensport geht es um hohe Profite.

PSARELLIS: Wir müssen den Sportler vor solchen fremden Interessen besser schützen. Viele Dopingkontrollen sind ein guter Weg, den Athleten zu helfen.

ABENDBLATT: Deshalb wurden Sie 2002 Dopingfahnder?

PSARELLIS: Ich habe Chemie studiert, war Triathlet und habe an der Uni Leicester eine 20-seitige Seminararbeit über die Dopingbekämpfung des IOC geschrieben. Ich dachte, ich könnte einen Beitrag für den sauberen Sport leisten, den doch alle angeblich wollen. Ich dachte, ich gehöre zu den Guten, wie die, die für eine bessere Umwelt kämpfen.

ABENDBLATT: Sie waren in Ihrer Heimat schnell der Böse.

PSARELLIS: Das Problem war, dass die Regierung keine Strategie hatte, kein Sportprogramm. Wollten wir der Welt mit den Spielen ihre Ideale zurückgeben, oder wollten wir den Sport zu einem Propagandafeldzug wie einst die DDR oder Nazi-Deutschland nutzen? Es fehlte ein Aufbauprogramm, wie fördere ich den Sport von der Talentsichtung bis zum Olympiasieg? Gewünscht waren schnelle Erfolge, nichts Methodisches. Wer eine Medaille gewinnen konnte, erhielt einen Freibrief. Das Wie interessierte niemanden.

ABENDBLATT: Und Sie standen den Siegern im Weg.

PSARELLIS: Ich bin von der ersten Kontrolle an von den Medien an den Pranger gestellt worden, als jemand, der Griechenland schaden, die Athleten bloßstellen will. Ich galt als Vaterlandsverräter.

ABENDBLATT: Was wurde Ihnen vorgeworfen?

PSARELLIS: Dass ich nicht für das Athener Olympia-Organisationskomitee ATHOC als Triathlon-Wettkampfmanager und gleichzeitig als Dopingfahnder arbeiten könne. Da bestünde ein Konflikt. Ich sah ihn nicht, ich dachte vorher, auch ATHOC wolle saubere Spiele. Und es wurde behauptet, dass ich die Kontrollen nicht korrekt durchführe. Dabei gibt es klare Regeln, an die sich beide Seiten halten müssen. Ich habe den Athleten immer gesagt, wenn sie denken, dass etwas falsch läuft, bitte schreiben sie das auf.

ABENDBLATT: Die Sportler haben oft lieber das Weite gesucht, als sich kontrollieren zu lassen.

PSARELLIS: Eine Leichtathletin hat sich in Athen in ihrer Wohnung eingeschlossen, machte die Tür nicht auf. Mein Team hat die ganze Nacht vor dem Haus gewartet, bis mich am Morgen eine Freundin hereinließ. Da war die Athletin schon auf und davon. In Griechenland gibt es viele Hintertüren. Wie in vielen anderen Ländern auch.

ABENDBLATT: Ein Einzelfall?

PSARELLIS: Es herrscht Datenschutz. Nur so viel: Die Mobilität einiger Athleten ist schon erstaunlich. Vor allem verändern sie oft sehr kurzfristig ihren Aufenthaltsort. Ich will mal so sagen: Sie scheinen, mit welcher Hilfe auch immer, ein Gespür für den Fahnder entwickelt zu haben.

ABENDBLATT: Die Verweigerung gilt als positiver Test.

PSARELLIS: Erst wenn der Kontakt mit dem Athleten hergestellt ist, beginnt das Prozedere. Wenn ich ihn nicht auffinde oder antreffe – der Sportler muss ja seinen Aufenthaltsort ständig bekanntgeben -, kann er alle möglichen Ausreden benutzen. Meistens endet das mit einer Verwarnung.

ABENDBLATT: Waren die Medien Teil des Dopingkomplotts?

PSARELLIS: Viele griechische Sportjournalisten sind nicht unabhängig, arbeiten gleichzeitig für Verbände und Vereine, lassen sich von ihnen bezahlen. Sie haben kein Problembewusstsein.

ABENDBLATT: Sind Sie unter Druck gesetzt worden?

PSARELLIS: Sie wollten, dass ich sage, wann welche Athleten auf der Kontrollliste stehen. Tue es für Griechenland, sagten sie, es soll dein Schaden nicht sein.

ABENDBLATT: Sind Sie auch bedroht worden?

PSARELLIS: Ein Manager des Leichtathletik-Grand-Prix Mitte Juni 2002 in Athen wollte, dass ich die Kontrollen ausfallen lasse. Als ich mich weigerte, schrie er: “Du wirst eine Kugel in den Kopf bekommen.” Ich habe später gehört, dass Veranstalter von Meetings in Griechenland bei den ausländischen Athleten damit geworben haben, dass vor, während und nach den Wettkämpfen keine Kontrollen stattfänden.

ABENDBLATT: Haben Sie keine Angst gehabt?

PSARELLIS: Vor solchen Idioten? Nein!

ABENDBLATT: Sie haben dennoch Schaden genommen, Sie verloren Ihren Job bei ATHOC.

PSARELLIS: Die haben mich am 10. Dezember 2002 rausgeschmissen – unter dem Jubel der Medien -, weil meine Arbeit als Dopingfahnder, für die ich nur eine kleine Aufwandsentschädigung erhalte, nicht mit der Anstellung bei ATHOC vereinbar sei. ABENDBLATT: Haben Sie keine Unterstützung vom IOC erhalten?

PSARELLIS: Der internationale Leichtathletik-Verband hat einen Brief geschrieben, dass ich meine Arbeit absolut korrekt erledige. Er wurde ignoriert.

ABENDBLATT: Als Dopingfahnder durften Sie weiterarbeiten.

PSARELLIS: Seit diesem Vorfall kontrolliere ich keine griechischen Leichtathleten mehr.

ABENDBLATT: Wer wollte das?

PSARELLIS: Ich.

ABENDBLATT: Sie lächeln.

PSARELLIS: Ich habe nichts anderes zu sagen.

ABENDBLATT: Andere griechische Sportler dürfen Sie also noch kontrollieren?

PSARELLIS: Ja, und ausländische sowieso. Nur keine griechischen Leichtathleten. Die galten als olympische Medaillenkandidaten und hatten in der Vergangenheit schon große Erfolge erzielt.

ABENDBLATT: Denken Sie, dass in anderen Ländern ähnlich mit Dopingfahndern umgegangen wird?

PSARELLIS: Darüber darf ich nichts sagen. Griechenland ist sicher nicht die Ausnahme, eher wohl die Regel. Es wäre ein grober Fehler, mit dem Finger auf uns zu zeigen, weil sich in Griechenland ein paar Verantwortliche besonders dumm angestellt haben, und zu sagen: “Bei uns ist alles besser.” Das ist es nicht. Leider. Überall wird gedopt. Der Fehler in Griechenland war, dass man den Deckel des Nationalismus darüber gestülpt hat.

ABENDBLATT: Glauben Sie, dass die Dopingmentalität irgendwann zu besiegen sein wird?

PSARELLIS: Wir dürfen nicht aufhören, daran zu glauben. Für Griechenland bin ich optimistisch. Es ist so viel gelogen worden, dass jetzt eine Lüge nach der anderen bekannt wird. Das ist ein Anfang auf einem langen Weg. Wir stehen noch unter Schock. Vielleicht werden wir später sagen können, dass es ein heilsamer war. Interview: Rainer Grünberg

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Ο κ. Γιάννης Ψαρέλης είναι από τα ιστορικά στελέχη του Τριάθλου στη χώρα μας έχοντας παρακολουθήσει και συμμετέχει έντονά στη διοικητική ανάπτυξη του αθλήματος. Χρόνια μέλος των εθνικών ομάδων ,εκπρόσωπος των αθλητών στην τεχνική επιτροπή του αθλήματος, υπεύθυνος χάραξης των διαδρομών αγώνων της Ομοσπονδίας μεταξύ των οποίων και της Ολυμπιακής διαδρομής του 2004 στη Βουλιαγμένη,έχει διατελέσει γενικός γραμματέας της Ομοσπονδίας Τριάθλου και εκπρόσωπος αυτής στην Ελληνική Ολυμπιακή Επιτροπή. Έχει πληθώρα προπονητικών πιστοποιήσεων στα αθλήματα αντοχής από εθνικές ομοσπονδίες και συνδέσμους προπονητών. Έχει παρακολουθήσει πλήθος εκπαιδευτικών σεμιναρίων της Διεθνούς Ομοσπονδίας Τριάθλου τόσο για Διοργανωτές Αγώνων όσο και κριτές. Επίσης έχει παρακολουθήσει πολυήμερα σεμινάρια για διοργανωτές αγώνων στη Λοζάνη κάτω από την εποπτεία της ΔΟΕ. Έχει σπουδάσει Χημεία στο Εθνικό και Καποδιστριακό Πανεπιστήμιο Αθηνών. Έχει τους εξής πανεπιστημιακούς μεταπτυχιακούς τίτλους : Αθλητική Διοίκηση (Παν.Lyon1-Masters in Sport Organisations Management – πρόγραμμα αναγνωρισμένο από την Διεθνή Ολυμπιακή Επιτροπή), Αθλητική Διοίκηση (Παν. Leicester), Διοίκηση Επιχειρήσεων (Οικονομικό Πανεπιστήμιο Αθηνών- Executive MBA), Μάρκετινγκ & Επικοινωνία (Οικονομικό Πανεπιστήμιο Αθηνών -MSc in Marketing and communication with New Technologies). Προπονητής Τριάθλου Προπονητής Τριάθλου Ο κ.Γιάννης Ψαρέλης έχει διατελέσει Διοικητικός Υπεύθυνος καθώς και Υπεύθυνος Στρατηγικής & Ανάπτυξης στο Sports Excellence (πρόγραμμα που πραγματοποιείται υπό την επιστημονική επίβλεψη της Α’ Ορθοπαιδικής Κλινικής του ΕΚΠΑ, όντας εγκεκριμένο κέντρο από τον Διεθνή Σύνδεσμο Κέντρων Υψηλού Αθλητισμού) έχοντας την επιστημονική επίβλεψη μέχρι και 1800 επίλεκτων αθλητών και αθλητριών προεθνικών και εθνικών ομάδων έως 18 ετών καθώς και των μελών της Προ-Ολυμπαικής προετοιμασίας για τους ΟΑ του Τόκυο (με μνημόνιο συνεργασίας με την ΕΟΕ). Σε επίπεδο ακαδημαϊκό/ ερευνητικό με σημείο αναφοράς μεταπτυχιακές και διδακτορικές σπουδές ασχολείται κυρίως με την επίδραση των προϊόντων νεοπρενίου/ wetsuit στην κολύμβηση τριαθλητών καθώς και με την μεγιστοποίηση της απόδοσης των αθλητών στο mixed relay του Τριάθλου. Από το 1990 συμμετέχει ως εισηγητής σε πλήθος εκπαιδευτικά προγράμματα επιμόρφωσης προπονητών, καθηγητών Φυσικής Αγωγής, γονέων αλλά και αθλητών είτε αναπτύσσοντας τεχνικά θέματα που αφορούν το Τρίαθλο είτε θέματα που αφορούν την ηθική στον αθλητισμό και το αντι-ντόπινγκ. Αρθογραφεί σε πλήθος αθλητικών ιστοσελίδων και περιοδικών σε θέματα που αφορούν την προπονητική, τους κανονισμούς του Τριάθλου ή θέματα ηθικής/ κοινωνιολογίας του αθλητισμού. Ο ίδιος σε συνεργασία με αθλητικούς φορείς (Ομοσπονδίας, Σωματείων και Αθλητικών Οργανισμών των Δήμων) από το 1990 έως σήμερα έχει σχεδιάσει και διοργανώσει έχοντας την επίβλεψη πάνω από 50 αγώνων σε όλη την Ελλάδα (Αθήνα, Χανιά, Ρέθυμνο, Τρίπολη, Θεσσαλονίκη, Σέρρες, Πιερία κ.λπ.)